Pflegegrad 4: Definition
Pflegegrad 4 bedeutet eine „schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit“. Sie erhalten Pflegegrad 4 wenn in Ihrem Pflegegutachten 70 bis unter 90 Punkte für die Einschränkung Ihrer Selbständigkeit festgestellt werden. Mit dem Pflegegrad können Sie Leistungen der Pflegeversicherung beanspruchen. (1)
Die Pflegebegutachtung beurteilt das Maß der Selbstständigkeit einer Person. Früher spielte der Aufwand für die Pflege eine entscheidende Rolle, seit 2017 nicht mehr. Das Gutachten ist die wichtigste Grundlage für die Entscheidung der Pflegekasse über einen Pflegegrad.
Voraussetzungen für Pflegegrad 4
Um einen höheren Pflegegrad zu erhalten, müssen Sie zuerst einen Antrag auf Höherstufung bei Ihrer Pflegeversicherung stellen. Diese beauftragt dann einen Experten, bei Ihnen eine Pflegebegutachtung nach dem „Neuen Begutachtungsassessment“ (NBA) durchzuführen. (2)
Im Pflegegutachten werden bis zu 100 Punkte für die Beeinträchtigung der Selbständigkeit vergeben. Die Gesamtpunktzahl setzt sich aus sechs individuell gewichteten Themenfelder zusammen. Dabei gibt es Ausnahmen in der Kinderpflege und bei einer besonderen Bedarfskonstellation. (1)
Kriterien für die Begutachtung
1. Mobilität: Wie selbstständig bewegt sich der Begutachtete fort? Wie kann er sich halten, aufrecht sitzen und Treppen steigen?
2. Kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Kann sich der Antragsteller im Alltag örtlich und zeitlich orientieren? Kann er für sich selbst Entscheidungen treffen, Risiken erkennen, Gespräche führen und seine Bedürfnisse mitteilen?
3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: Wie oft benötigt der Betroffene Hilfe wegen psychischer Probleme wie aggressivem oder ängstlichen Verhalten? Leidet er unter Wahnvorstellungen oder beschädigt er Gegenstände?
4. Selbstversorgung: Wie selbstständig kann sich der Begutachtete täglich selbst waschen, pflegen und ernähren?
5. Bewältigung und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen: Welche Hilfen benötigt der Antragsteller beim Umgang mit Krankheit, Therapien und Behandlungen wie zum Beispiel bei Dialyse oder Verbandswechsel?
6. Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Wie selbstständig kann der Begutachtete seinen Tagesablauf planen, sich selbst beschäftigen oder Kontakte pflegen?
Jedes der sechs Module enthält bis zu 16 festgelegte Kriterien, die im Gutachten einzeln beurteilt werden. Die individuelle Bewertung jedes Kriteriums ergibt zusammen eine Punktzahl für jedes Modul. Die Punktzahlen der Module werden addiert und gewichtet. Sie ergeben so die Gesamtpunktzahl. (2)
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Leistungen bei Pflegegrad 4
Menschen mit Pflegegrad 4 brauchen täglich mehrmals intensive Unterstützung, oft sogar fast durchgehende Betreuung. Dafür stehen Ihnen alle Pflegeleistungen zur Verfügung. Manche Leistungen allerdings noch nicht in voller Höhe, die erst mit Pflegegrad 5 erreicht wäre. (3)
Im Vergleich zu Pflegegrad 2 oder 3 haben Sie jetzt höhere Ansprüche beim Pflegegeld, den Pflegesachleistungen, der Tages- und Nachtpflege sowie bei den Leistungen für die stationäre Pflege, also das Pflegeheim. Die anderen Leistungen bleiben unverändert.
Überblick zu den Pflegeleistungen bei Pflegegrad 4
Pflegeleistung | Anspruch mit Pflegegrad 4 |
Pflegegeld | 765 Euro monatlich |
Pflegesachleistungen | 1.778 Euro monatlich |
Verhinderungspflege | 1.612 Euro jährlich |
Kurzzeitpflege | 1.774 Euro jährlich |
Entlastungsbetrag | 125 Euro monatlich |
Tages- oder Nachtpflege | 1.612 Euro monatlich |
Pflegehilfsmittel zum Verbrauch | bis zu 40 Euro monatlich |
Technische Pflegehilfsmittel | Ja |
Hausnotruf | bis zu 25,50 Euro monatlich |
Wohnraumanpassung | bis zu 4.000 Euro pro Maßnahme |
Pflegeberatung und Beratungseinsatz | Ja |
Pflegekurse für Angehörige | Ja |
Pflegeunterstützungsgeld | Ja |
Wohngruppenzuschuss | 214 Euro monatlich |
Digitale Pflegeanwendungen (DiPA) | bis zu 50 Euro monatlich |
Vollstationäre Pflege im Heim | 1.775 Euro monatlich |
Pflegegeld bei Pflegegrad 4
Wenn Sie die Pflege zuhause selbst organisieren, können Sie dafür Pflegegeld beanspruchen. Mit Pflegegrad 4 sind das 765 Euro pro Monat, die Ihnen zur freien Verfügung stehen. Wenn Sie Pflegesachleistungen in Anspruch nehmen, verringert das anteilig Ihren Anspruch auf Pflegegeld.
Kostennachweise sind dafür nicht nötig. Aber Sie müssen mit Pflegegrad 4 einmal vierteljährlich an einem Beratungseinsatz nach Paragraf 37.3 teilnehmen. In den kostenlosen Beratungsterminen können Sie individuelle Fragen zur Pflege, zum Pflegerecht und zu Pflegeleistungen stellen.
Pflegesachleistungen bei Pflegegrad 4
Über die Pflegesachleistungen können Sie die häusliche Pflege durch professionelle Pflegekräfte ergänzen, also meistens einen ambulanten Pflegedienst. Wenn Sie möchten, kann der Pflegedienst die entstandenen Kosten direkt mit Ihrer Pflegeversicherung abrechnen.
Mit Pflegegrad 4 stehen Ihnen dafür 1.778 Euro pro Monat zur Verfügung. Wenn Sie Pflegesachleistungen in Anspruch nehmen, verringert das anteilig Ihren Anspruch auf Pflegegeld.
Verhinderungspflege bei Pflegegrad 4
Auch Pflegende haben mal Termine, sind krank oder fahren in den Urlaub. In solchen Fällen können Sie über die Verhinderungspflege eine stundenweise oder tageweise Vertretung finanzieren. Das geht für insgesamt bis zu 42 Tage oder 6 Wochen pro Kalenderjahr.
Insgesamt stehen dafür 1.612 Euro im Jahr zur Verfügung. Damit können Sie Privatpersonen Aufwandsentschädigungen zukommen lassen oder einen ambulanten Pflegedienst als Vertretung bezahlen. Ungenutztes Budget der Kurzzeitpflege können Sie teilweise für Verhinderungspflege nutzen.
Kurzzeitpflege bei Pflegegrad 4
Die Kurzzeitpflege bietet eine Lösung, wenn Sie zwar zuhause gepflegt werden, aber vorübergehend eine stationäre Versorgung benötigen – beispielsweise wenn die Pflegeperson verhindert ist und niemand die Ersatzpflege zuhause übernehmen kann.
Das Budget für Kurzzeitpflege beläuft sich auf 1.774 Euro pro Jahr und ist auf höchstens 56 Tage oder acht Wochen pro Kalenderjahr begrenzt. Nicht vollständig genutzte Mittel können Sie teilweise auch für die Verhinderungspflege verwenden.
Tagespflege & Nachtpflege bei Pflegegrad 4
Teilstationäre Pflege kann eine gute Ergänzung zur häuslichen Pflege sein. Besser bekannt ist sie als Tagespflege oder Nachtpflege. Die Pflege erfolgt dabei tagsüber oder nachts in einer pflegerischen Einrichtung. Diese Mischform der Pflege gilt insgesamt weiterhin als häusliche Pflege.
Bei Pflegegrad 4 können Sie für die teilstationäre Pflege bis zu 1.612 Euro monatlich nutzen. Dieser Betrag reicht bereits für regelmäßig mehrere Tage pro Woche. Das ist aber im Einzelfall abhängig von den Kosten der Einrichtung.
Entlastungsbetrag bei Pflegegrad 4
Der Entlastungsbetrag von 125 Euro pro Monat soll zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen ermöglichen. Damit sollen Pflegende entlastet und die Selbständigkeit im Alltag der pflegebedürftigen Person erhalten und gefördert werden.
Mit Pflegegrad 4 sollten Sie den Entlastungsbetrag bereits kennen und hoffentlich auch nutzen. Ist das nicht der Fall, können Sie den Entlastungsbetrag auch rückwirkend in Anspruch nehmen.
Nutzen Sie den Entlastungsbetrag mit Pflegegrad 4 für:
- Tagespflege oder Nachtpflege
- Ambulante Pflege und Betreuung (eingeschränkt)
- Kurzzeitpflege
- Angebote zur Unterstützung im Alltag (nach Landesrecht)
Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel bei Pflegegrad 4
Hilfsmittel werden von der Krankenkasse finanziert und sind deshalb unabhängig von einem Pflegegrad. Anders die Pflegehilfsmittel: Diese setzen einen Pflegegrad voraus. Welchen Sie haben, ist jedoch egal. Denn über einen Anspruch wird individuell nach Bedarf in Ihrer Situation entschieden.
Zu den Pflegehilfsmitteln gehören:
- Technische Pflegehilfsmittel: Pflegebett, Pflegerollstuhl, Waschwagen und mehr
- Pflegehilfsmittel zum Verbrauch: Desinfektionsmittel, Einweghandschuhe und mehr
Stationäre Pflege bei Pflegegrad 4
Die häusliche Pflege mit Pflegegrad 4 ist trotz aller Mühen nicht in jedem Fall möglich, denn sie erfordert viel Zeit und es muss mindestens eine Pflegeperson geben, die selbst in guter Verfassung ist. Ein Umzug ins Pflegeheim ist oft unausweichlich.
Die Pflegeversicherung stellt bei Pflegegrad 4 für die stationäre Pflege 1.775 Euro pro Monat bereit. Darüber hinaus müssen Sie jedoch mit erheblichen weiteren Kosten rechnen, die Sie selbst bezahlen müssen. Der Eigenanteil ist dabei unabhängig vom Pflegegrad (einrichtungseinheitlicher Eigenanteil).
Zu Ihrem Eigenanteil bezahlt die Pflegeversicherung noch einen prozentualen Zuschuss. Dieser steigt an, je länger Sie bereits in stationärer Pflege leben. Mehr dazu im Ratgeber Kosten für ein Pflegeheim.
Weitere Leistungen bei Pflegegrad 4
Jede Pflege sollte so einzigartig sein, wie die pflegebedürftige Person selbst. Dafür müssen natürlich die Pflegeleistungen individuell auf die Situation abgestimmt werden. Dabei helfen Ihnen die bereits genannten und einige weitere Pflegeleistungen.
Weitere Pflegeleistungen bei Pflegegrad 4:
- Wohnumfeldverbessernde Maßnahmen: Barrierearmes Wohnen ist eine Grundvoraussetzung für die Pflege. Wenn Sie dafür zum Beispiel Ihr Bad umbauen oder einen Treppenlift einbauen lassen müssen, können Sie von der Pflegeversicherung bis zu 4.000 Euro Zuschuss erhalten.
- Pflegeberatung: Bei Pflegegrad 4 haben Sie die Möglichkeit zu einer kostenlose Pflegeberatung nach Paragraf 7a. Die Beratung hilft Ihnen, Ihre persönliche Pflegesituation zu organisieren und erläutert Ihnen Entlastungs- und Hilfsangebote.
- Pflegekurse für Pflegende: Praktisches Pflegewissen vom Ankleiden über den Transfer bis zur Körperpflege erlernen Sie in Pflegekursen. Die Teilnahme ist kostenlos für alle Interessierten und Pflegenden.
- Pflegeunterstützungsgeld: Das Pflegeunterstützungsgeld übernimmt in akuten Pflegenotfällen die Fortzahlung von Lohn oder Gehalt der Pflegenden. So soll verhindert werden, dass diese in finanzielle Schwierigkeiten geraten, weil Sie sich um andere kümmern.
- Wohngruppenzuschuss: Die Pflegeversicherung unterstützt Personen, die in Wohngruppen leben, mit einem Zuschlag von 214 Euro pro Monat. Dieser Zuschlag bleibt konstant bei 214 Euro monatlich, egal welchen Pflegegrad Sie haben.
- Digitale Pflegeanwendungen (DiPA): Digitale Services für Pflegebedürftige und Pflegende können als „Digitale Pflegeanwendungen“ oder „DiPA“ anerkannt werden. Die Pflegeversicherung stellt für die Nutzung von DiPA 50 Euro pro Monat bereit.
Die Pflegeversicherung kann unter bestimmten Bedingungen Sozialversicherungsbeiträge für Pflegende übernehmen. Die Voraussetzungen für Beiträge zur Renten-, Arbeitslosen-, Kranken-, Pflege- und Unfallversicherung variieren. Weitere Infos finden Sie im Ratgeber für pflegende Angehörige.
Fallbeispiel Pflegegrad 4
Versicherte mit Pflegegrad 4 haben eine „schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit“. Wie das Leben eines Pflegebedürftigen mit Pflegegrad 4 aussehen könnte, soll dieses fiktive Beispiel veranschaulichen.
Frau Schneider erlitt vor einigen Jahren einen Schlaganfall. Seitdem ist sie halbseitig gelähmt. Mit einer Gehhilfe kann sie zwar laufen, zuhause nutzt sie aber überwiegend einen Rollstuhl. Sie hat bereits einen Treppenlift einbauen lassen. Auch beim Umsetzen benötigt sie Hilfe.
Im Modul „Mobilität“ bestätigt ihr der Gutachter 12 Punkte, was gewichtet 15 Punkten entspricht.
Da Frau Schneider ihren linken Arm und das linke Bein nicht mehr bewegen kann, gelingt Frau Schneider das Waschen und Anziehen nur noch mit Hilfe vom Pflegedienst. Auch beim Toilettengang benötigt sie Hilfe, ebenso wie bei der Zubereitung von Mahlzeiten. Aufgrund des Schlaganfalles hat Frau Schneider eine Schluckstörung entwickelt, weshalb sie auch beim Essen Hilfestellung benötigt.
Im Modul „Selbstversorgung“ erhält sie daher 24 Punkte. Gewichtet ergibt das 30 Punkte.
Durch den Schlaganfall hat die Seniorin einige ihrer kognitiven Fähigkeiten verloren. Mittlerweile kann sie wieder sprechen, ihr Sprachniveau ist jedoch geringer. Sie kann ihre elementaren Bedürfnisse noch mitteilen, hat jedoch Schwierigkeiten mit längeren Gesprächen. Ebenfalls durch den Schlaganfall ist ihr Blickfeld eingeschränkt und sie sieht nur noch in einem sogenannten Tunnelblick, die Ränder sind also verdunkelt. Daher hat Frau Schneider örtliche Orientierungsprobleme.
Im Modul „Kognitive und kommunikative Fähigkeiten“ erhält sie 11 Punkte, gewichtet sind das 11,25 Punkte.
Frau Schneider bekommt mehrmals am Tag eine Medikation vom Pflegedienst und wird zu Arztbesuchen gefahren. Einmal die Woche kommt eine Logopädin zu ihr nach Hause.
Im Modul „Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Belastungen“ vergibt der Gutachter 7 Punkte, was gewichtet in diesem Modul 20 Punkten entspricht.
Insgesamt kommt das Pflegegutachten von Frau Schneider auf 76,25 gewichtete Punkte. Das liegt im Bereich von 70 bis unter 90 Punkten und entspricht deshalb Pflegegrad 4, dem vierten von fünf Pflegegraden.
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